Die Frau im Islam – Stellung wie sie nach dem Koran sein sollte (Vortrag gehalten in der Islam-Woche Darmstadt)
Dazu ein Beitrag aus dem Internet: einfach anklicken
Quelle: http://www.enfal.de/grund88.htm
Informationszentrale Dâr-us-Salâm 1998
2. Auflage
Das Urheberecht liegt beim Autor.
Hrsg.: Informationszentrale
Dâr-us-Salâm
Redaktion: Tilmann Schaible
ISBN 3-932129-67-9
Dieser Vortrag wurde gehalten im April 1986 im Rahmen der Islam-Woche in Darmstadt.
Bismillâh
DIE FRAU IM ISLAM
Wie kaum ein anderes Thema aus dem Themenkreis „Islam“ findet die Frage nach Stellung und Rolle der Frau im Islam das Interesse der hiesigen Bevölkerung. Da dieses Interesse häufig mit Vorurteilen belastet und in jedem Fall sehr kritisch ist – und leider auch auf kaum einem anderen Gebiet qur’anische Vorschriften und historische und gesellschaftliche Wirklichkeit so weit auseinander klaffen wie in dieser Frage – ist eine glaubwürdige und überzeugende Darstellung recht schwierig. Hinzu kommt, dass ich mich zwar immer wieder mit diesem Thema beschäftigt habe, aber letztlich doch nur Laie bin. Deshalb sollte man nicht mehr von meinen Ausführungen erwarten, als man von einem Laien eben erwarten kann.
Es liegt schon einige Zeit zurück, dass mich eine Kollegin fragte – immerhin Lehrerin ihres Zeichens – : „Wie konnten Sie bloß Muslim werden, wo im Islam doch die Frauen keine Seele haben und nicht ins Paradies kommen!“. Wie gesagt, das ist schon länger her, und inzwischen, scheint mir, hat sich der Wissensstand bezüglich des Islams doch allgemein verbessert, so dass ein solches Vorurteil wohl nur noch selten anzutreffen sein wird. Dass Mann und Frau in ihrer Wesenheit und ihrem Wert vor Gott gleich sind, sei mit einigen von vielen Qur’an-Zitaten belegt: „Oh ihr Menschen, fürchtet euren Herrn, Der euch aus einem einzigen Wesen erschaffen hat; aus diesem erschuf er ihm die Gefährtin, und aus beiden ließ er viele Männer und Frauen sich vermehren…“ (Sure 4:1) „Und ihr Herr antwortete ihnen: Ich lasse das Tun desjenigen unter euch, der Gutes tut, gewiss nicht verloren gehen, sei es Mann oder Frau. Die einen sind von den anderen.“ (Sure 3:195) „… Wer aber Gutes tut, sei es Mann oder Frau, und gläubig ist, diese werden ins Paradies eintreten.“(Sure 40:40)
Alle religiösen Pflichten, wie Gebet, Fasten, Armensteuer, Pilgerfahrt, Gutes tun und Böses abwehren, sind der Frau ebenso vorgeschrieben, wie dem Mann: „… die wahrhaftigen Männer und die wahrhaftigen Frauen, die standhaften Männer und die standhaften Frauen, die demütigen Männer und die demütigen Frauen, die Männer, die Almosen geben, und die Frauen, die Almosen geben, die Männer, die fasten, und die Frauen, die fasten, die Männer, die ihre Keuschheit wahren, und die Frauen, die ihre Keuschheit wahren,… Allah hat ihnen Vergebung und gewaltigen Lohn bereitet.“ (Sure 33:35).
Aber auch in den meisten Rechten unterscheidet sich die Frau nicht vom Mann. Hier sollen nur einige genannt werden, die heute als Bedingung weiblicher Emanzipation gelten. Eines davon ist das Recht auf Eigentum und Erbschaft , das im europäischen Raum ja erst seit Beginn dieses Jahrhunderts ein Grundrecht der Frau ist. Die Frau kann frei über ihr Eigentum verfügen – freier sogar als der Mann, da sie keinerlei finanzielle Verpflichtungen gegenüber der Familie oder anderen Personen hat. Sie kann ihren Besitz ausgeben, vererben, verschenken oder in Geschäfte investieren, ohne dass Ehemann, Vater oder irgend jemand anderes Einfluss darauf nehmen könnte. Die einzige Einschränkung bildet die Besteuerung, der sie wie jeder Mann unterliegt.
Sie hat grundsätzlich auch das Recht auf Arbeit. Unter Umständen kann sie sogar dazu verpflichtet werden, wenn es sich um Berufe handelt wie Ärztin, Lehrerin etc., und wenn niemand anderes da ist, der diese Funktion erfüllen könnte. Davon abgesehen wird sie aber im Einzelfall entscheiden müssen, wie weit sich die moralische Pflicht der Kindererziehung mit einer Berufstätigkeit vereinbaren lässt. In jedem Fall steht ihr aber für ihre Arbeit gleicher Lohn zu, wie einem Mann: „… Die Männer sollen ihren Anteil erhalten nach ihrem Verdienst, und die Frauen sollen ihren Anteil erhalten nach ihrem Verdienst.“ (Sure 4:32). Sollte eine Frau unbedingten Wert auf eine Berufstätigkeit legen, so empfiehlt es sich, falls sie heiratet, sich mit dem zukünftigen Ehemann bereits vor der Ehe darauf zu verständigen und dieses im Ehevertrag festzuhalten.
Genau wie der Mann hat die Frau das Recht und die Pflicht, zu lernen. Allahs Gesandter (s) hat gesagt: „Das Streben nach Wissen ist Pflicht für jeden Muslim.“ (Anas; Baihaqi). Leider ist das ein Punkt, wo die islamischen Grundsätze und die Praxis der Muslime zum Teil weit auseinander klaffen. Hadithe wie der folgende finden da wenig Beachtung: Allahs Gesandter (s) hat gesagt: „… und wer drei Töchter aufgezogen hat, oder ihresgleichen von (seinen) Schwestern, und ihnen eine gute Erziehung gegeben hat, sie mit Güte behandelt hat, bis sich Allah ihrer annimmt, für den hat Allah das Paradies bestimmt.“ Ein Mann fragte: „Allahs Gesandter, und bei zweien?“ Er antwortete: „Und (auch) bei zweien“, so dass der Mann fragte: „Und bei einer?“ Er antwortete: „Und auch bei einer.“ (Ibn Abbas; Mischkat).
Gleiches wie für Lernen und Ausbildung der Mädchen gilt für die Teilnahme der muslimischen Frau am gesellschaftlichen Leben. Zur Zeit des Propheten (s), die uns allen als Vorbild gilt, durfte nach einer Aussage Muhammads (s) den Frauen die Teilnahme am Gemeinschaftsgebet nicht verwehrt werden (wozu offensichtlich auch damals schon Tendenzen bestanden). Heute haben in manchen islamischen Ländern Frauen keinen Zutritt zur Moschee, zumindest sind sie aber durch einen Sichtschutz von den Männern getrennt, was in der Moschee des Propheten nicht der Fall war und ist. Die Teilnahme am Gemeinschaftsgebet und ganz allgemein der Zutritt zur Moschee ist insofern wichtig, als die Moschee nicht nur ein Ort der Andacht und des Gebets ist, sondern immer auch ein Ort des Lernens, sozialer und politischer Versammlungen etc. In früherer Zeit wurden sogar Gesetze und Verordnungen von der Kanzel verkündet. Einmal wetterte zum Beispiel der zweite Kalif Omar in einer Freitagspredigt gegen die Frauen, die eine viel zu hohe Brautgabe (Mahr) forderten, und wollte diese auf einen Höchstsatz beschränken. Da stand eine Frau auf und wies den Kalifen darauf hin, dass eine solche Regelung gegen Sure 4:20 verstoße. Der Kalif gab ihr Recht und sah von einer Neuregelung ab. Das sollte heute eine Frau wagen, mitten in der Freitagspredigt aufzustehen und das Staatsoberhaupt zurechtzuweisen! Es gibt aber, besonders in der frühen Geschichte des Islams, viele andere Beispiele dafür, dass Frauen des Propheten (s) zum Beispiel nach dessen Tod die Funktion von Lehrerinnen und Rechtsgelehrten übernahmen, die von Männern und Frauen gleichermaßen konsultiert wurden. Aischa, seine jüngste Frau, führte sogar ihre Anhänger in einer kriegerischen Auseinandersetzung mit einer anderen Partei an. Aber auch andere, „normale“ Frauen nahmen im Notfall an Kampfhandlungen teil, waren Geschäftsfrauen, Krankenpflegerinnen usw. Beim sogenannten „Gelübde von Aqaba“ legten auch Frauen den Treueid ab, was durchaus eine politische Handlung darstellte.
Diese Beispiele sollen genügen um zu zeigen, dass Frauen im Islam eine gesellschaftliche Rolle gespielt haben und das auch heute tun können, wenn sie es wollen. Aber da sind teilweise jahrhundertealte (nicht-islamische) Traditionen zu durchbrechen. Der Egoismus der Männer steht dem ebenso entgegen, wie auch nicht selten geistige Trägheit auf Seiten der Frauen. Diese Frauen haben nicht gelernt zu lernen, und das wiederum müssten ihnen die – in der Regel besser ausgebildeten – Männer beibringen, die ihrerseits lernen müssten, dass es ihrer männlichen Ehre keinen Abbruch tut, wenn sie auch mal zum Putztuch greifen. Im Gegenteil – sie würden dem Beispiel des Propheten folgen, von dem überliefert ist, dass er die Stube fegte, seine Kleider sauber hielt und, soweit es seine Zeit zuließ, im Dienst seiner Familie stand.
Gesellschaftlichen Aktivitäten steht also nichts im Wege, vorausgesetzt allerdings, die moralischen Regeln, zu denen Frauen und Männer verpflichtet sind, werden beachtet. Die Frau kann nur dann als Partnerin des Mannes fungieren, wenn sichergestellt ist, dass sie nicht als Objekt des Konsums und des Interesses der Männer missbraucht oder auch nur belästigt wird. Dazu gibt es verschiedene Vorsichtsmaßnahmen. Die augenfälligste ist wohl die Kleidung der Frau, die alles bedecken soll, was einen Mann eventuell reizen oder zu Vergleichen anregen könnte. Innerhalb der Familie gelten die strengen Kleidervorschriften nicht, da dort keine Notwendigkeit dafür besteht.
Warum sich denn dann nicht auch die Männer bedecken müssen, werden wir oft gefragt. Nun, auch die Kleidung der Männer darf nicht aufreizend sein. Hautenge Jeans, offenes Hemd und Kettchen auf Männerbrust sind bestimmt kein passender Anzug für einen Muslim! Dennoch sind die Vorschriften für die Männer nicht ganz so weitgehend, wie für die Frauen, weil Männer die Frauen in aller Regel doch wohl etwas anders anschauen als umgekehrt. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass Frauen sich in gleicher Weise zum Beispiel über die Beine eines Mannes auslassen würden, wie Männer das bei Frauen tun.
Leider stoßen wir mit unserer Kleidung, und insbesondere mit dem Kopftuch, nicht selten auf Unverständnis in dieser Gesellschaft. Auch frisch übergetretenen deutschen Muslimen bereitet das Tragen des Kopftuches manchmal Schwierigkeiten, weil die Haartracht der Frauen sich hier häufig kaum noch von der der Männer unterscheidet, und weil das Haar nicht unbedingt als Geschlechtsmerkmal gesehen wird. Dass es immerhin als weiblicher Schmuck gilt, beweisen die Milliardenumsätze der Damenfriseure. Während für unsere Umgebung besonders das Kopftuch ein Zeichen der Rückständigkeit und Versklavung der muslimischen Frau ist, ist für diese selbst das Kopftuch oft ein Symbol der Befreiung von sexueller Ausbeutung der Frau. Wir wollen als Mensch gesehen werden und nicht als Sexualobjekt!
Allerdings ist die Kleidung nur eine Maßnahme zum Schutz, nicht nur vor sexueller Ausbeutung, sondern vor allem auch zum Schutz von Ehe und Familie. Mindestens ebenso wichtig sind Regelungen wie die, dass ein Mann und eine Frau, die nicht zum engeren Kreis einer Familie gehören, nicht allein in einem geschlossenen Raum zusammen sein dürfen, dass man nicht miteinander flirtet oder tanzt, und dass man alles vermeidet, was Ehe und Familie unter Umständen gefährden könnte: „Sprich zu den gläubigen Männern, dass sie ihre Blicke zu Boden schlagen und ihre Keuschheit wahren sollen… Und sprich zu den gläubigen Frauen, dass sie ihre Blicke zu Boden schlagen und ihre Keuschheit bewahren sollen, und dass sie ihre Reize nicht zur Schau stellen sollen…“ (Sure 24:30,31).
Ehe und Familie gelten allgemein als die Keimzelle jeder intakten Gesellschaft. Und da das so ist, hat der Prophet (s) Männern wie Frauen immer wieder ans Herz gelegt, dass sie heiraten sollen, wenn sie nur irgend eine Möglichkeit dazu haben. Wie die folgenden Qur’an-Verse zeigen, stellt die Ehe an sich schon einen Wert dar und dient erst im weiteren Verlauf dem Zweck der Fortpflanzung: „Und unter Seinen Zeichen ist dies, dass Er Gattinnen für euch schuf aus euch selber, auf dass ihr Frieden in ihnen fändet, und Er hat Liebe und Zärtlichkeit zwischen euch gesetzt. Hierin sind wahrlich Zeichen für ein Volk, das nachdenkt.“ (Sure 30:21). „… Sie sind euch ein Gewand und ihr seid ihnen ein Gewand…“ (Sure 2:187) u.a. Wie aus Qur’an und Hadith zu ersehen, ist in der Ehe auch die körperliche Liebe zwischen Mann und Frau nicht nur erlaubt, sondern durchaus positiv zu bewerten und ein Recht, das beide aneinander haben.
Über die beglückende Partnerbeziehung hinaus ist die Ehe aber natürlich auch Grundstein der Familie. Die islamische Familie ist nicht nur der Ort, wo die Kinder Geborgenheit erfahren und Urvertrauen in das Leben schlechthin entwickeln können, sondern sie ist auch der Ort, wo islamisches Verhalten grundgelegt und Wertvorstellungen und Normen weitergegeben werden. Das ist auch der Grund für die große Bedeutung der Familie, besonders in unserer Zeit und in dieser Umwelt, wo es kaum irgendwo eine Gesellschaft gibt, die die Eltern in dieser wichtigen Aufgabe unterstützen würde. Was nun die Verteilung der Aufgaben in der Familie angeht, so unterscheidet sich die islamische Vorstellung ganz klar von der in der westlichen Welt derzeit propagierten, dass Mann und Frau gleichermaßen einen Beruf ausüben und den Haushalt führen und die Kinder erziehen sollten: Allahs Gesandter hat gesagt: „Jeder von euch ist ein Hirte, und jeder von euch ist für die ihm anvertraute Herde verantwortlich. Der Imâm, der die Leute leitet, ist ein Hirte und verantwortlich für die ihm anvertraute Herde. Der Mann ist ein Hirte für die Leute seines Haushalts und verantwortlich für die ihm anvertraute Herde. Die Frau ist Hirtin des Hauses ihres Gatten und seiner Kinder und verantwortlich für die ihr anvertraute Herde…“ (Ibn Omar; Bukhari). Auch wenn, wie weiter oben gesagt, die Frau das Recht hat, einen Beruf auszuüben, so besteht doch gar kein Zweifel, dass grundsätzlich die wichtigste Aufgabe der Frau die Sorge für die Familie und die Erziehung der Kinder ist.
Damit sie sich mit ganzer Kraft dieser Aufgabe widmen kann, ist sie von der Sorge für den Lebensunterhalt befreit – das ist Aufgabe des Mannes. Wenn sie freiwillig dazu beitragen möchte, so steht ihr das frei – verpflichtet werden kann sie nicht. Auch Kochen und Putzen gehören nicht notwendigerweise zu ihren Pflichten. Wenn das Einkommen des Mannes es erlaubt, könnte sie sich zum Beispiel schon im Ehevertrag eine Haushaltshilfe ausbedingen. Wichtiger ist, dass sie dafür sorgt, dass Mann und Kinder und nicht zuletzt sie selbst die Familie als einen Ort der Ruhe und der Geborgenheit erfahren, als einen Ort, wo man Luft schöpfen und auftanken kann, um die Aufgaben, die das Leben an einen stellt, kraftvoll und gelassen, ohne Hektik und Aggressivität anzugehen. Das ist aber kaum darzustellen, wenn beide Ehepartner im Berufsleben stehen. Solange die Kinder gesund sind und auch sonst alles glatt läuft, ist das vielleicht kein Problem, aber wehe, wenn die Kinder krank sind, wenn Schulschwierigkeiten auftauchen, selbst wenn man nur aktiv an Schulveranstaltungen teilnehmen will – und und und, dann ist selbst bei Teilzeitarbeit von Ruhe und Gelassenheit meist nicht mehr die Rede.
Natürlich könnte auch der Mann zu Hause bleiben und diesen Teil der Pflichten übernehmen, das ist nicht verboten. Doch scheint es, dass in der Regel die traditionelle Arbeitsteilung am ehesten den verschiedenen Begabungen und Fähigkeiten von Mann und Frau entspricht. Die Männer sind nicht nur physisch stärker, sondern meistens auch im psychischen Bereich etwas robuster, was sich beispielsweise bei der Durchsetzung von Interessen zeigt. Dafür besitzen Frauen häufig mehr Einfühlungsvermögen und können das auch unter Umständen sehr profitabel einsetzen. Das Durchsetzen von Interessen dagegen fällt Frauen, besonders wenn es mit einem Verlust an Sympathien verbunden ist, oft schwerer.
Wie weit bestimmte Verhaltensmuster angeboren oder anerzogen und durch Identifikation übernommen sind, kann hier nicht entschieden werden. Doch beobachte ich als Mutter und Lehrerin immer wieder, dass Mädchen schon im Kleinkindalter mehr Einführungsvermögen zeigen und deshalb leichter zu lenken sind (und nicht etwa, weil man von vornherein auf Mädchen mehr Druck ausüben würde!). Später dann sind beispielsweise Mädchenfreundschaften meist ganz anders als Jungenfreundschaften. Mädchen bevorzugen Zweier- oder Dreierbeziehungen, in denen man sich kleinere oder größere Geheimnisse anvertraut, viel miteinander tuschelt und kichert und insgesamt viel ruhiger (von der Lautstärke her) miteinander umgeht. Jungen dagegen spielen eher in größeren Gruppen. Das miteinander Sprechen ist weniger wichtig als bei den Mädchen, dafür steht die gemeinsame Aktion im Vordergrund. Ich wüsste nicht, dass das Verhalten der Kinder hier auf Einflussnahme oder Vorbild der Eltern zurückgeführt werden könnte.
Solche und andere Beobachtungen haben mich – im Gegensatz zu dem, was ich früher einmal gelernt habe – zu der Überzeugung gebracht, dass geschlechtsspezifisches Verhalten nicht nur anerzogen ist, und durch gezielte Maßnahmen zwar beeinflusst, aber nicht nivelliert werden kann. Deshalb scheint auch mir in aller Regel die Frau, nicht nur, weil sie durch Schwangerschaft und Geburt eine besondere Beziehung zum Kind hätte, sondern durch ihre gesamten psychischen und emotionalen Anlagen und Fähigkeiten, eher prädestiniert, die Aufgaben der Kindererziehung wahrzunehmen – auch heute noch und auch in unseren Breiten. Das soll nicht heißen, dass Väter ihre Kinder nicht erziehen sollten oder könnten, doch tun sie es eben anders. Väter betonen häufig stärker den kognitiv pragmatischen Bereich und lassen sich meist doch nicht in gleichem Maß auf die Kinder ein wie die Mütter, was eine sehr hilfreiche und nützliche Ergänzung darstellt. So gelingt es nach meiner Erfahrung auch den berufstätigen Vätern viel besser als den berufstätigen Müttern, während der Arbeit ihre häuslichen Sorgen und Ärgernisse aus dem Bewusstsein zu streichen!
Wie hoch aus islamischer Sicht die Bedeutung der Mutter einzuschätzen ist, zeigt der folgende Hadith: Ein Mann kam zu Allahs Gesandtem (s) und sagte: „Allahs Gesandter, wer hat das größte Anrecht darauf, dass ich ihm ein guter Gefährte bin?“ Er antwortete „Deine Mutter.“ Er fragte: „Und wer dann?“ Er antwortete: „Deine Mutter.“ Er fragte (wieder): „Und wer dann?“ Er antwortete: „Deine Mutter.“ Er fragte: „Und wer dann?“ Er antwortete: „Dein Vater.“ (Abu Huraira; Bukhari).
Wünschenswert wären allerdings geistig emanzipierte, gut ausgebildete Mütter, die ihren Kindern neben einer aufgeklärten islamischen Erziehung auch ein Gefühl für den Wert von Wissen und Leistung mitgeben könnten.
Da, wie bereits gesagt, im Normalfall der Mann für den Unterhalt der Familie sorgt, ist er auch der Haushaltungsvorstand. Das ist keine exklusiv islamische Regelung, sondern auch bei deutschen Ämtern gilt derjenige als Haushaltungsvorstand, der überwiegend den Lebensunterhalt der Familie bestreitet. Im Qur’an lesen wir:“Die Männer sind die Verantwortlichen über die Frauen, weil Allah die einen vor den anderen begünstigt hat, und weil sie von ihrem Vermögen hingeben…“ (Sure 4:34). Meistens wird dieser Vers so gelesen, als stünde da „weil Gott die Männer vor den Frauen ausgezeichnet hat“. Tatsächlich steht aber hier nur ganz allgemein, dass Er „einige von ihnen vor den anderen ausgezeichnet hat“, wobei keineswegs eindeutig ist, wer die einen und die anderen sind. Sicher ist aber, dass Gott die Menschen in unterschiedlicher Weise begabt hat, wobei der Vorzug des einen nicht den Nachteil des anderen bedeuten darf, sondern für den so Ausgezeichneten mit größeren Verpflichtungen verbunden ist, was in der Ehe genauso gilt, wie in der übrigen Gesellschaft.
Nun lesen wir aber weiter in Sure 4:34: „Darum sind tugendhafte Frauen die Gehorsamen (qânitât) und die in Abwesenheit (ihrer Gatten) das bewahren, was Gott ihnen zu bewahren aufgab…“ – Heißt das denn nicht, dass die Frau, wenn der Mann befiehlt, gehorchen muss? Das Wort qunût bedeutet Gehorsam gegenüber Gott, Gottergebenheit, und qânitât sind Frauen, die gottergeben sind. So heißt es auch in Sure 33:35, dass Gott den „gläubigen Männern und den gläubigen Frauen, den gehorsamen Männern (qânitîn) und den gehorsamen Frauen (qânitât), den wahrhaftigen Männern und den wahrhaftigen Frauen…“ vergeben und sie belohnen wird. Grundsätzlich gibt es für den Muslim, Mann oder Frau, keinen Gehorsam in Dingen, die gegen den Willen und das Gesetz Gottes verstoßen. Gehorsam schuldet man da, wo die Rechte eines anderen betroffen sind, und es wird von jedem Muslim erwartet, dass er im Interesse einer Sache seinen Willen dem seines jeweiligen Amîrs (Führers) unterordnet, wenn trotz gleichberechtigter Beratung keine einvernehmliche Entscheidung gefunden werden kann. Das gilt wiederum für die Ehe genauso wie für die übrige Gesellschaft. Sollte jemandem dabei Unrecht geschehen, so hat er die Möglichkeit, unparteiische Schiedsrichter oder notfalls das Gericht einzuschalten.
Leider muss gesagt werden, dass es besonders unter ungebildeten Muslimen nicht wenige Männer gibt, die ein geradezu despotisches Regime über ihre Familien führen. Solches Verhalten ist unislamisch, denn dagegen steht das Beispiel des Propheten (s), wie auch allgemeine Grundsätze des Islams, wie die Forderung nach Gerechtigkeit, Güte und Mitgefühl. Darüber hinaus gehört es zu den Zeichen der Gläubigen, dass „ihr Handeln eine Sache gegenseitiger Beratung“ ist. Dass dieser Grundsatz auch für das Verhältnis zwischen Mann und Frau gilt, zeigt Sure 2:233, wo es heißt, dass geschiedene Eheleute über die Entwöhnung eines gemeinsamen Kindes nur nach gegenseitiger Beratung entscheiden können. Leider sind solche Maßregeln den Männern, und oft auch den ebenso unwissenden Frauen, wenig geläufig. Dagegen ist nur mit Aufklärung, Diplomatie und Geduld anzugehen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Schlagen der Frauen. Obwohl man nicht sagen kann, dass Orientalinnen mehr geschlagen würden als Europäerinnen, so scheint es dort doch Männer zu geben, die dieses für ihr gutes Recht halten. Ein Grund dafür mag Sure 4:34 sein, wo es heißt: „… Und jene, von denen ihr Widerspenstigkeit (nuschûz) befürchtet, ermahnt sie, lasst sie allein in den Betten und straft sie.“ Nuschûz bedeutet „Verletzung der ehelichen Pflichten, Feindseligkeit, Antipathie“. Wenn man als Europäerin diesen Vers liest, empfindet man ihn zunächst fast als Freibrief für Misshandlung der Frauen. Tatsächlich stellt er aber eine starke Einschränkung ehemaliger Praktiken dar, die dem Ehemann erlaubten, über seine Frau nach Belieben zu verfügen. Der Prophet selbst schlug seine Frauen nie und sprach sich auch immer wieder gegen das Schlagen aus. „Wie könnt ihr eure Frauen schlagen und hinterher mit ihnen schlafen“…, „Die ihre Frauen schlagen, sind nicht die besten unter euch“, oder auch direkt „Schlagt Allahs Mägde nicht“. Nachdem aber die Männer sich beschwerten und meinten, die Frauen verletzten aber ihre ehelichen Pflichten, wurde als Limit dieser Vers offenbart, der jegliches Schlagen im Affekt verbietet, was 99% aller Fälle ausmachen dürfte. Selbst bei drohender ehelicher Untreue, die aus islamischer Sicht eine schwere Verfehlung darstellt, muss der Mann die Frau zunächst ermahnen, und wenn sie sich uneinsichtig zeigt, sich des ehelichen Verkehrs enthalten (was ihm vielleicht schwerer fällt als ihr), und erst als letzte Maßnahme darf er sie schlagen, aber nicht hart und nicht ins Gesicht, wie andere Hadithe zeigen.
Wenn die Frau ihrerseits Nuschûz seitens des Mannes befürchtet (Sure 4:128), wird ihr empfohlen, mit diplomatischen Mitteln den Mann zur Vernunft zu bringen. Schlagen ist zwar nicht verboten, erscheint aber angesichts der physischen Überlegenheit des Mannes wenig empfehlenswert. Wenn diplomatische Mittel nichts fruchten, kann sie entweder Schiedsrichter aus ihrer und seiner Familie zu Hilfe rufen oder sich an das Gericht wenden, das ihr – eventuell unter Strafanwendung – zu ihrem Recht verhilft. Sowohl das Schlagen des Mannes als auch Strafe durch den Richter sind offensichtlich der letzte Versuch, einen Ehepartner zur Vernunft zu bringen, bevor es zur Scheidung kommt, die im Islam zwar erlaubt, aber nicht erwünscht ist. Sollte ein Mann seine Frau heftig und im Affekt schlagen, so würde er gegen den obengenannten Vers verstoßen und hätte der Frau damit einen Scheidungsgrund geliefert, der, falls die Ehe geschieden wird, mit finanziellen Konsequenzen für ihn verbunden ist.
Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch einige Sätze zur Mehrehe sagen, die uns Europäern so ganz und gar exotisch erscheint, obwohl sie in nicht-legalisierter Form, als „Verhältnis“, in unseren Breiten ungleich viel häufiger praktiziert wird und in dieser Form auch kaum noch Anstoß erregt.
Der einzige Vers im Qur’an, der sich mit der Mehrehe befasst, lautet folgendermaßen: „Und wenn ihr fürchtet, dass ihr die Waisen nicht gerecht behandelt, dann heiratet Frauen, die euch genehm dünken, zwei, drei oder vier; und wenn ihr fürchtet, dass ihr nicht billig handelt, dann (heiratet nur) eine oder was eure Rechte besitzt. Also könnt ihr das Unrecht eher vermeiden.“ (Sure 4:3). Wie man sieht, stellt dieser Vers kein Gebot, sondern eine Erlaubnis dar, die für die damalige Zeit eine Einschränkung bedeutete, da vorher die Zahl der Frauen unbegrenzt war. Der Vers wurde offenbart, als in kriegerischen Auseinandersetzungen viele Männer getötet worden waren und dadurch viele Frauen und Kinder unversorgt waren, die damals nicht die Möglichkeiten hatten, wie wir heute, sich selbst über Wasser zu halten. Um einerseits die Waisen wirtschaftlich abzusichern und ihnen die Geborgenheit der Familie zu geben, und um andererseits einer Gefährdung der öffentlichen Moral vorzubeugen, durften die Männer bis zu vier Frauen heiraten, aber auch nur, wenn sie sicher waren, dass sie alle gleich behandelten. Heute ist die Mehrehe für muslimische Frauen statistisch gesehen kaum ein Problem. In gehäufter Form kann sie ohnehin nur bei großem Frauenüberschuss, beispielsweise nach Kriegen, auftreten. Darüber hinaus stehen ihr finanzielle Erwägungen entgegen: Jede weitere Frau hat Anspruch auf eine standesgemäße Brautgabe, eigenes Haus oder Wohnung, angemessenen Unterhalt usw…, und eine Ehe ist bei Nicht-mehr-Gefallen nicht so leicht zu lösen wie hierzulande ein lästig gewordenes Verhältnis! Deshalb ist der Prozentsatz der Mehrehen minimal. Wenn aber eine Frau dennoch Befürchtungen in dieser Richtung hat, so kann sie sich im Ehevertrag dagegen absichern, durch eine Klausel, die ihr, wenn der Mann eine andere Frau heiratet, das Recht gibt, sich scheiden zu lassen.
In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass ein guter Ehevertrag immer dann besonders nützlich ist, wenn die Brautleute aus sehr unterschiedlicher Umgebung stammen, beispielsweise aus einem europäischen und einem orientalischen Land. Nach dem Prinzip, dass im Islam alles erlaubt ist was nicht durch Qur’an oder Sunna verboten wurde, kann man in einen solchen Vertrag viel von dem einbringen, was einem persönlich am Herzen liegt und wovon man meint, dass es für den Ehepartner nicht von vornherein selbstverständlich ist.
Der Frau ist die Mehrehe nicht gestattet, nicht nur, weil sie im sexuellen Bereich bestimmten Beschränkungen unterliegt – in der Zeit der Periode und vor und nach Geburten – und auch nicht nur, weil sie physisch und psychisch überfordert wäre, mehreren Männern samt ihren Kindern gerecht zu werden. Der Hauptgrund liegt wohl darin, dass der Mann unbedingt verpflichtet ist, für seine Kinder zu sorgen. Bei mehreren Männern bestünde die Gefahr, dass sie sich entweder um die Kinder streiten oder sich aus der Verantwortung ziehen könnten – insgesamt also eine wenig praktikable Angelegenheit.
Dieser Vortrag ist der Beitrag einer deutschen Muslima zum Thema „Frau im Islam“. Es ist durchaus möglich, dass ein Muslim aus einem anderen Land mit anderen Gebräuchen einige Dinge anders sieht und interpretiert als ich. Qur’an und Sunna stecken ähnlich einer Verfassung den Rahmen ab, in dem wir uns bewegen, und wie diese werden sie zu unterschiedlichen Zeiten und an verschiedenen Orten unterschiedlich ausgelegt. Von dem bekannten Gelehrten Schâfi’i wird beispielsweise berichtet, dass er zur gleichen Rechtsfrage in Medina, wo er zunächst gewohnt hatte, ein anderes Rechtsgutachten abgab als später in Bagdad, weil die Bedingungen in beiden Städten unterschiedlich waren. Wir Muslime neigen leider manchmal dazu, verschiedene Sichtweisen für schädlich und zersetzend zu halten, und würden uns doch so viele harte Dispute ersparen, wenn wir unsere Verschiedenartigkeit als Bereicherung und einander ergänzend begreifen würden! Letztlich ist doch nur Gott im Besitz der absoluten Wahrheit. Deshalb möchte ich schließen mit den Worten wa-llâhu a’lam – und Gott weiß es am besten!
@ Ekrem Yolcu